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Reisebericht 5
Von: Matthias Buck <Matthias.Buck@gmx.de>
An: Australientrip%Matthias.Buck@mailings.gmx.net
Kopie:
Datum: 06.08.01 09:31

Hallo Leute!

Bin seit Freitagabend auf meiner neuen Farm, werde hier die naechsten Wochen arbeiten.

Zunaechst werde ich mich um die komplette Fahrzeugflotte kuemmern, dann wieder viel "mustering", also Kuehe zusammentreiben - und zwar dieses Mal auf dem Pferd. Ich war zunaechst etwas traurig darueber, dass sie hier kein einziges Motorrad benutzen (vermisse das Fahren jetzt schon...), aber andererseits sage ich mir, dass ich das Motorradfahren ja nun schon gut drauf habe, und mit dem Reiten ist ja noch nicht so doll - also werde ich hier wohl das Reiten lernen... :-)

Der Zeitunterschied betraegt jetzt 7,5 Std zu Deutschland, da ich jetzt nicht mehr in Queensland, sondern im Northern Territory bin (dicht an der Grenze zu Western Australia).

Die Telefonnummer, unter der ich ab sofort erreichbar bin, lautet wie folgt (fragt nach Matt):
0061 (0) 8 9167 8824

Am besten bin ich abends (ab ca. 11 Uhr bis spaetestens 13.30 Uhr Eurer Zeit) oder sonntags zu erreichen. Mit dem Emailen sieht es nicht so gut aus, seid nicht traurig, wenn Ihr auf Antwort etwas warten muesst, okay? ;-)
Meine Adresse hier ist:

Newry Station
PO Box 1452
Kununurra
Western Australia 6743

Aber da ich hier sowieso nicht mehr lange sein werde und es ziemlich langedauert, bis die Post es bis hierher geschafft hat, empfehle ich weiterhin die Adresse von Visitoz Scheme, die leiten meine Post dann immer weiter:

Springbrook Farm,
MS 188
Via Goomeri
Queensland 4601

Ich schicke Euch noch meine naechsten Notizen dieser Reise, werde spaeter aber nochmal alles chronologisch ordnen, evtl. mit Ueberschriften versehen (die einz. Absaetze), Daten hinzufuegen usw.

Bis bald,
Euer
Matt

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Teil V
Die Zeit rennt.

Mittlerweile sind schon wieder einige Wochen verstrichen seit ich das letzte Mal etwas von mir hoeren lassen habe.

Wie ging es nun weiter? Wie ist es mir ergangen in der letzten Zeit? Was ist mir widerfahren, wie habe ich mich geschlagen? Was habe ich gemacht, gesehen und erlebt?

Lest selbst...

Waehrend meiner Zeit auf Berellam (Farm in der Naehe von Eromanga) sind eigentlich nicht mehr viele spannende Dinge passiert. Aber die vielen kleinen aufregenden Ereignisse, interessanten Situationen und bewegenden Geschehnisse haben sich dann irgendwie doch zu einem wichtigen Abschnitt meines Lebens summiert, und dieser hat sich unausloeschlich nicht nur in meinen Erinnerungen manifestiert.

Eines der schoensten Dinge war, dass ich mich nach einigen Wochen ueberhaupt nicht mehr als Tourist gefuehlt habe. Ich habe fuer einen Teil meines Lebens einfach dazugehoert.

Schoen fand ich auch die Naturverbundenheit, die ich erlebte. (Und ich mag, wenn meine Haut nach Sommer riecht.)

Mit Jeff habe ich mich immer besser verstanden. Wenn ich die gar nicht soeinfache Aufgabe haette, Coolsein (im positiven Sinn) beschreiben zu muessen, dann wuerde mir kein besseres lebendes Beispiel dafuer einfallen, als dieser erfahrene Farmer, der mit seinen leuchtendblauen Augen, seinem markanten Gesicht, seinen strahlendweissen Zaehnen und seinem Cowboyoutfit der Marlborowerbung entsprungen sein koennte. Er hat jede Situation, ob stressige Arbeit mit schwierigen Tieren oder das Loesen kniffliger technischer Probleme, immer souveraen und oft mit grossem Improvisationstalent im Griff. Es scheint sogar, als habe er das Wort Problem fuer sich als Herausforderung neu definiert.

Was ihn fuer mich aber erst richtig cool macht, ist, dass er gleichzeitig auch so ein fuersorglicher, verstaendnissvoller, offenherziger und einfach lieber Familienvater ist, wie man es sich kaum vorstellen kann. Auch wenn er noch so im Stress ist - obwohl Stress hier das falsche Wort waere, sagen wir beschaeftigt - , sobald ihn eine seiner Toechter oder seine Frau anspricht, hat er (soweit es die Lage zulaesst) immer ein offenes Ohr fuer sie und sagt dann meist Yes, Darling?

Auch mit Mark – dem Kaengeruhjaeger – bin ich jetzt gut befreundet, er hat so einen trockenen Humor und es war fuer mich immer sehr erfrischend und interessant, mit ihm ueber Gott und die Welt zu reden.

Mein Verhaeltnis zu Robyn ist leider nicht besser geworden, aber auch nicht schlechter. Ich war froh, dass ich nicht mir ihr zusammenarbeiten musste, ich hab mich in ihrer Umgebung einfach nicht wohl gefuehlt. Im Nachhinein kann ich sagen, dass dies der einzige Wehrmutstropfen einer phantastischen Zeit auf Berrelam war.

Carolin und Kelsey waren bis zum Schluss schuechtern und verschlossen, aber ich glaube trotzdem, dass sie mich mochten. Diesen Eindruck hatte ich besonders bei Kelsey, sie ist mit 8 Jahren die juengste der vier Toechter und hatte so eine kindliche Neugierde, die oft ueber ihre Schuechternheit siegte.

Ich mag beide sehr gern, deshalb tut es mir um so mehr leid, wenn ich sehe, wie rauh ihre Mutter sie manchmal behandelt.

Freitag, 25/05/01

Jeff und ich sind frueh losgefahren nach Quilpie. Er bat mich, das Steuer zu uebernehmen, da er sich noch etwas auf sein Meeting vorbereiten wollte.

Heute sollte mit vielen anderen Farmern darueber diskutiert werden, ob es guenstiger ist, sich Maschinen zu kaufen, zu leasen oder zu mieten.

Wir haben uns nach der Ankunft einen Treffpunkt fuer die Rueckfahrt abgemacht und ich habe den uebrigen Tag mit Sally verbracht.

Sie zeigte mir unter anderem die beiden Hauptatraktionen der Eintausend-Seelengemeinde: einen 4 km abseits gelegenen idyllischen kleinen See und einen ebenfalls etwas ausserhalb liegenden Huegel mit einer wunderbaren Aussicht, bei der man sich dem Himmel naeher fuehlt.

Ich besuchte ausserdem die Bibliothek, um meine emails zu checken, denn irgendwie schien das Modem auf Berellam seit einem Tag defekt zu sein. Fuer $ 6,- pro Stunde kann man hier im Internet surfen, etwas teuer wie ich meine, aber bemerkenswert, dass es hier ueberhaupt eine Bibliothek mit Internetanschluss gibt.

Als es feststand, dass mich mein Bruder und eventuell auch meine Eltern besuchen kommen wollten, beschloss ich, mir ein Auto zu kaufen.

Auf dem Rueckweg von Quilpi sind Jeff und ich dann zu einem seiner Kumpels gefahren, welcher eins zu verkaufen hatte.

Mein oberes Preislimit habe ich so mit $ 4.000,- festgelegt.

Wir haben uns dann nach einer Tasse Tee das Objekt der Begierde angeschaut.

Es war der Reinfall – das Auto, ein alter, rostiger Toyota, war reif fuer den naechsten Autofriedhof. So wie es da friedlich unter dem blechernen Carport stand, sah es aus, als wurde es vor ueber 20 Jahren dort eingeparkt und seitdem nicht mehr bewegt. Trotzdem wollte dieser Mensch noch $ 800,- dafuer haben.

Diese Kaufentscheidung wurde somit zu einer der leichtesten in meinem Leben.

Jeff sagte auf dem Rueckweg zwar noch, dass man mit diesem Wagen zwar nicht gerade die Frauen beeindrucken kann, aber fuer das Geld sei er absolut okay.

Naja, unter Freunden hilft man sich halt...

Wie es der Zufall wollte, hatte ich am selben Abend eine email von Chris in meinem Briefkasten. Er schrieb, dass er sein Auto nun dringend verkaufen wolle.

Ich war sofort heiss, das musste unbedingt klargehen.

Ueber den Preis waren wir uns beim spaeteren Telefonat schnell einig, guenstige $ 2.000,- wollte er von mir haben.

Als weitaus schwierigeres Problem erwies sich dann die Uebergabe des Autos und natuerlich auch des Geldes. Chris war gerade in Pittsworth, in der Naehe von Toowoomba, etwa 1000 km von mir entfernt.

Ich schlug ihm vor, dass er mir das Auto auf die Farm bringt, hier schlaeft, wir dann am naechsten Tag uns einen schoenen Tag machen und ich ihn dann nach der zweiten Nacht nach Charleville (350 km) bringe. Von hier aus gab es dann wieder einmal taeglich die Moeglichkeit, mit dem Bus weiterzufahren.

Gesagt, getan.Wir einigten uns darauf, dass ich den Sprit und er die Busfahrt bezahlt.

Es ist schwierig, ohne ein Auto zu haben, sich im Outback eins zu kaufen, denn wie will man irgendwo hinfahren, um sich eins anzuschauen?

Also war ich natuerlich mehr als erleichtert, dass ich nun endlich mein Auto bekommen sollte.

Ich sorgte dafuer, dass Chris und ich auch etwas zu tun hatten an unserem freien Tag. Unsere Aufgabe bestand darin, mit dem Motorrad Kuehe in ein anderes Gebiet innerhalb der Farm zu treiben. Fuer mich ist es trotz der Routine immer noch jedesmal ein Genuss. Und es macht einfach mehr Spass, wenn man mit einer Aufgabe durch das zum Teil sehr schwierige Gelaende faehrt, als einfach nur so.

Sonntag, 27/05/01

Um halb sieben sassen wir am Morgen nach Chris Ankunft auf Berellam am Fruehstueckstisch. Nach den ueblichen Muesliflakes und etwas Toast machten wir uns noch ein kleines Lunchpaket fertig. Fuer jeden ein Sandwich mit Kaese, Salat und Majo, sowie einen Apfel – das sollte fuer ein zweites Fruehstueck reichen. Ausserdem haben wir uns noch jeder eine Wasserflasche mitgenommen, denn der Tag versprach wieder heiss zu werden.

Voellig eingestaubt sind wir nach getaner Arbeit puenktlich zum Mittagessen zurueckgewesen. Chris fand es so herrlich und freute sich fuer mich, dass ich fuer solche Arbeit – bei Sonnenschein mit dem Motorrad durch die traumhaft schoenen Weiten des Outbacks zu brettern - bezahlt werde. Er hatte leider nicht solch guten Job abbekommen und musste die ganze Zeit einen Scraper fahren (riesiges Geraet zum Wegebau), und abgesehen von dieser eintoenigen Arbeit, war er um seine Lebensbedingungen dort auch nicht gerade zu beneiden.

Nachmittags haben Jeff und ich Chris einige schoene Plaetze auf der Farm gezeigt, u.a. sind wir mit den Motorraedern zu meinem Lieblingshuegel gefahren.

Von dort oben hat man einen phantastischen Rundumblick auf die nicht enden wollende rote Steppe – spaetestens hier weiss man, dass man in the middle of nowhere ist.

Wir checkten einige Wasserstellen , wobei wir immer auf Wildschweine achteten. Und tatsaechlich hatten wir auch einmal Glueck und sahen ein mittelgrosses Exemplar davonlaufen. In solchen Momenten wird Jeff immer ernst und kennt keine Gnade mehr, sei es bei der hitzigen und spannenden Verfolgungsjagt des Schweins oder schliesslich beim Erschiessen.

Da wir dieses Mal zu dritt waren, wusste ich, dass das Schwein kaum eine Chance hat, uns zu entwischen. Nach einer relativ kurzen Verfolgung zerschnitten drei bis vier Schuesse die nachmittaegliche Stille. Danach hatte es den Anschein, als habe man sich die Schuesse nur eingebildet – ausser den Motoren war weit und breit wieder nichts zu hoeren, rein gar nichts, alles schien so friedlich.

Das einige hundert Meter weiter auf der Erde liegende Wildschwein und das schnell in der trockenen Erde versickernde Blut bewiesen jedoch das Gegenteil.

Unmittelbar bevor auch Chris eintraf sagte ich zu Jeff, der gerade dabei war, den wirklichen Tod durch Beruehren des Auges festzustellen,: You forgot to say: Now its a good pig... Er quittierte es mit einem kurzen aber herzhaften Lachen. Dieses Schwein wuerde seinen Schafen und insbesondere seinen Laemmern nichts mehr anhaben koennen.

Spaeter liess Jeff uns noch mit seiner Pistole auf eine Plastedose schiessen. Zuerst war ich an der Reihe. Ich legte an: Treffer. Dann Chris: er traf auch, kruemmte sich aber leicht zusammen und hielt sich die Ohren zu. Er fluchte und schimpfte ueber Schmerzen im Ohr und ueber ein Rauschen. Ausserdem konnte er uns nicht mehr so gut hoeren. Nach einer Weile wurde es nur unwesentlich besser, und der naechste Arzt war hunderte von Kilometern entfernt.

Er biss die Zaehne zusammen und beschloss nicht zuletzt auch auf meinen Rat hin, am naechsten Tag den Arzt aufzusuchen.

Abends feierten Chris und ich den Tag und das Geschaeft mit dem Auto mit einigen Bierchen der gaengigsten, aber guten Marke XXXX [sprich: four X].

Montag, 28/05/01

Nach 350 km sind wir mittags in Charleville, dieser kleinen, vertraeumten Westernstadt, angekommen.

Chris kuemmerte sich um seinen Arztbesuch und ich darum, mit meiner EC-Karte, mit meiner Kreditkarte und mit meiner australischen Bankkarte Geld abzuheben.

Ausserdem kaempften wir uns durch den behoerdlichen Weg, das Auto auf meinen Namen umzumelden.

Die erste Sache verlief erfolgreich, Chris sein Trommelfell sei okay und er wuerde in wenigen Tagen kein Rauschen mehr hoeren.

Bei der zweiten Sache ging es schon etwas schlechter, ich konnte irgendwie nur $ 2.000,- lockermachen, wovon ich ihm $ 1.800,- gab, die restlichen $ 200,- wollte ich u.a. auch fuer die Rueckfahrt behalten. Zum Glueck vertraute Chris nach einer Weile darauf, dass ich ihm die restlichen $ 300,- ($ 200,- + $ 100,- Spritkosten) so schnell wie moeglich ueberweise.

Jetzt schien die Sache noch fast am Umschreiben zu scheitern, aber nach langem, nervenaufreibendem Gezetere mit einer unkompetenten Mitarbeiterin des Bueros und vielen Telefonaten klappte es dann doch irgendwie.

Nach diesen Strapazen erweckte ein kuehles Blondes in einem Strassencafé wieder neue Kraefte. Wir haben noch eine ganze Weile erzaehlt, bis sich die Daemmerung in die Stadt quaelte und es somit hoechste Zeit zum Aufbrechen wurde, da man in diesen Regionen im dunkeln eigentlich lieber gar nicht fahren sollte - es sind einfach zu viele Kaengeruhs und Emus am Strassenrand und auch auf den Strassen.

Es war so ein starkes Gefuehl, in MEINEM Auto nach Hause zu fahren. Es ist ein Ford Falcon, Station Wagon (Kombi), Baujahr 1987, der sechszylindrige Motor hat einen Hubenraum von sagenhaften 4,1 Litern, mit Servolenkung, Klimaanlage (funktioniert aber nicht so richtig) und in einem aeusserst haesslichen rotbraun lackiert. Der vordere rechte Kotfluegel sieht etwas demoliert und notduerftig repariert aus. Die grossen sesselaehnlichen Sitze im Fond sind mit einer Art Schafsfell ueberzogen und superbequem. Und ausserdem hat das Auto innen einen eigenartigen, aber sympathischen Geruch. Alles zusammen macht ihn fuer mich absolut kultig. Ich haette Luftspruenge machen koennen, als ich damit auf der einsamen und endlosen Landstrasse ganz easy dahinrauschte. Ich habe in Deutschland schon einige Autos gekauft (meist juengeren Baujahrs), aber ich hab mich noch nie so sehr darueber gefreut. Fuer mich bedeutete dieses Auto gerade hier, wo an oeffentliche Verkehrsmittel kaum zu denken ist, von nun an noch mehr Freiheit.

Leider sollte diese enthusiastische Freude nicht sehr lange anhalten. Der grosse Sechszylinder schnurrte gutmuetig vor sich hin, waehrend die Scheinwerfer einen einsamen Lichtkegel auf den Asphalt warfen, aus den Lautsprechern erklang ein hier so ueblicher Countrysong – ich war rundum zufrieden, bis mir nach nur fuenfminuetiger Fahrt wie aus dem Nichts ein Kaengeruh ins Auto sprang. In dem Moment, in dem ich das Kaengeruh sah, war es schon zu spaet, ich hatte nicht mal mehr die Moeglichkeit zu bremsen, es gab es einen dumpfen Knall und Scherben flogen an der Windschutzscheibe hinauf.

Waehrend ich bremste und anhielt arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren:

Ich hatte es mit 80 Stundenkilometern erwischt. Der Zusammenstoss war vorn rechts - war nicht der vordere rechte Kotfluegel sowieso schon etwas lädiert ?

Die Windschutzscheibe war noch heil. Also mussten die Scherben vom Scheinwerfer stammen.

Als ich fluchend ausstieg dachte ich nur: Scheisse!, Scheisse!, Scheisse!!!, zuerst begutachtete ich den Schaden. Der Scheinwerfer leuchtete noch, obwohl das Glas zerstoert war, ausserdem war der Kotfluegel jetzt noch etwas mehr verbeult. Das Kaengeruh konnte ich im dunkeln nicht mehr sehen, da es sehr klein war, ist es wahrscheinlich auch weit geflogen.

Das ging ja gut los, dachte ich mir, und fuhr ab sofort nur noch 60 bis 70 km/h. Ich troestete mich aber relativ schnell, indem ich mir ueberlegte, wie leicht der Schaden zu beheben sei und dass es viel schlimmer haette kommen koennen.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich die letzten 340 km hinter mich gebracht hatte, wobei ich noch drei bis vier Mal voll auf die Bremse steigen musste, um nicht noch mehr Kaengeruhs oder auch Emus zu erwischen.

Ironischerweise habe ich irgendwann spaeter in einem meiner drei Reisefuehrer gelesen, dass man im Outback das Fahren in der Dunkelheit so weit es geht vermeiden sollte, weil die Kaengeruhs und Emus hauptsaechlich nachts aktiv sind.

Ab Dienstag, 29/05/01

Wenige Tage danach habe ich telefonisch einen gebrauchten Scheinwerfer ausfindig gemacht, ausserdem habe ich mir noch einen Bullenfaenger bestellt, ebenfalls gebraucht. Beides zusammen sollte beim oertlichen Autofriedhof in Quilpie $ 250,- kosten. Wenn man bedenkt, dass ein neuer Bullenfaenger schon um die $ 800,- kostet, hab ich ein vernuenftiges Geschaeft gemacht.

Nochmals ein paar Tage spaeter war mein Auto wieder fit und ein ordentlicher Bullenfaenger schmueckte von nun an seine Front und gab mir ein sichereres Gefuehl, besonders bei Nachtfahrten.

Sicherlich ist ein Bullenfaenger auch dafuer gadacht, Beschaedigungen zu vermeiden bzw. zu minimieren, aber sein primaerer Zweck besteht darin, eine Weiterfahrt nach einem Zusammenstoss zu ermoeglichen. Wenn man naemlich beispielsweise (nicht so wie ich) das Kaengeruh in der Mitte des Wagens erwischt und der Kuehler beschaedigt wird, ist eine Weiterfahrt im Prinzip nicht moeglich, und das koennte im tiefsten Outback fatale Konsequenzen nach sich ziehen.

Damit ich spaeter einmal wirklich beruhigt auf die weite Reise gehen konnte, habe ich noch das Oel, den Oelfilter und den Luftfilter erneuert, alle Fluessigkeitsstaende kontrolliert und aufgefuellt (z.B. Bremsfluessigkeit, Oel fuer Servolenkung, Kuehlwasser, Automatikgetriebeoel). Das Checken des Reifenluftdrucks (inkl. Reserverad) und das Ausprobieren des Wagenhebers vervollstaendigten meine Wartung.

Da ich ab sofort ja mobil war, verstaerkte das mein Gefuehl von dieser grenzenlosen Freiheit noch.

Von nun an bin ich oefters mal nach Quilpie gefahren, meist, um mich mit Sally zu treffen.

Nachdem wir einmal einen gemuetlichen Abend zusammen mit einigen Freunden von Sally im Quilpie-Club verbracht haben, bei dem viel erzeahlt, gelacht, gegessen und noch mehr getrunken wurde, schlenderten wir so die Hauptstrasse entlang zurueck zu ihrer Wohnung. Dort angekommen setzten wir uns auf die Terrasse und guckten zu einem schwindelerregend schoenen Sternenhimmel empor. So etwas hab ich vor Australien noch nicht gesehen, man hat den Eindruck, als fallen die Sterne gleich runter, als ob sie viel dichter waeren, als ob es viel mehr sind, als ob man sie beruehren koennte, als ob man mittendrin schwimmt.

Der Milky way sprang einem ins Auge. Ich kann es eigentlich nicht in Worte fassen, wie wunderschoen dieser Himmel voller (im wahrsten Sinne des Wortes) Sterne im Outback aussieht – man muss ihn sehen.

Sally fragte dann, ob ich schon vom Southern Cross gehoert habe.

Ich antwortete, dass dieser Schriftzug doch immer auf den unzaehligen Windmuehlen steht.

Darauf entgegnete sie, dass es ein beruehmtes Sternbild ist, welches man nur auf der suedlichen Hemisphaere sehen kann, und das diese Firma sich nach diesem benannt hat. Und sie zeigte es mir - das Kreuz des Suedens.

Es schmueckt neben einer kleinen Grossbritanienflagge die australische Flagge.

Das Motorradfahren war nach wie vor meine Haupttaetigkeit, und ich liebte es.

Ich bin von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag und von Woche zu Woche besser geworden. Das kam natuerlich nicht von ungefaehr. Wenn sich mir beim Fahren zwei Moeglichkeiten aufgetan haben, eine leichte und eine schwierigere (z.B. tiefer Graben, enge Baeume, steiler Huegel usw.), dann hab ich mich so weit es ging meist fuer die schwierigere entschieden – weil es einfach spannender war, mehr Spass gemacht hat und ich es mag, wenn mir etwas Adrenalin in die Adern schiesst. Am Ende habe ich meine Gelaendemaschine so sicher beherrscht, dass ich mit ihr zu einer Einheit verschmolzen bin.

Umsogroesser war die Umstellung, als mein Motorrad fuer zwei Wochen ausfiel.

Grund: der hintere Stossdaempfer war gebrochen (bin ich etwa zu oft und zu hoch damit gesprungen... ?!?).

Nachdem ich ihn ausgebaut habe, hat es ganze zwei Wochen gedauert, bis Jeff einen generalueberholten Shocki (= Shockabsorber) fuer $ 300,- organisiert hatte. Ein Neuer haette ihn etwa $ 1000,- gekostet.

In dieser Zeit fuhr ich eine seiner Ersatzmaschinen, sie wurde in den 70ern gebaut. Sie war gar nicht so schlecht fuer das Alter, aber sie war nicht ganz so gelaendegaengig, und wie ich ja schon sagte, war ich mit meinem anderen Baby eins...


Viele enthaeutete Kaengeruhbeine lagen auf der Ladeflaeche Mark seines Pick-ups. Nachdem ich sie ablud und auf Fleischerhaken im Kuehlhaeuschen unterbrachte, zeigte Jeff mir, wie man von ihnen Fleischstuecke bestimmter Groesse abschneidet. Sie sollten einige Tage spaeter mit toedlichem Gift versetzt und dann auf der Farm verteilt werden. Es ging darum, den Bestand von Dingos und Wildschweinen zu minimieren. Einen halben Tag lang war ich nun Fleischer oder Schlachter und schnitt die Beine in Stuecken: grosse fuer die Wildschweine, kleine fuer die Dingos.

Effektiver ist solche Aktion, wenn sich daran auch die umliegenden Farmen beteiligen, denn wilde Tiere ignorieren natuerlich Grundstuecksgrenzen.

So trafen sich dann eines fruehen Morgens auf Berellam fuenf Farmer und zwei amtliche Giftexperten, aus Sicherheitsgruenden etwas abseits von den Wohnhaeusern, naemlich neben der Start- und Landebahn. Die beiden Giftmenschen trugen dunkelgruene Overalls und Handschuhe.

Die kleineren Dingobissen haben sie in einer Art Zementmischer aeusserlich mit Gift benetzt, wobei das Gift in die groesseren Wildschweinbissen gespritzt wurde.

Nachdem die Bissen auf praegnanten Orten der Farm verteilt waren, haben wir das Auto gewaschen. Jeff war dabei peinlichst genau, insgesamt haben wir es dreimal mit Wasser abgespritzt. Unmittelbar danach haben wir die Sachen, die wir am Leibe trugen, in die Waschmaschine gesteckt und sind duschen gegangen, natuerlich getrennt...

Als er mir erzaehlte, dass er einmal einen Hund durch Gift verlor, verstand ich seine uebertriebene Vorsicht besser.

Gut ausgebildete Arbeitshunde ersetzen beim Schafezusammentreiben zwei Arbeiter, es ist also nicht nur ein idieeller, sondern auch ein hoher materieller Verlust gewesen.

So werden nach Hundewettkaempfen bei den anschliessenden Auktionen teilweise bis zu fuenfstellige Preise fuer einen sehr guten Arbeitshund bezahlt.


In weiten Teilen des australischen Outbacks ist Regen eine Seltenheit. So gibt es Regionen, wo es nur alle zwei bis drei Jahre regnet. Kinder und junge Tiere haben nicht selten Angst davor, wenn sie die ersten Male so viele unzaehlige Wassertropfen einfach so vom Himmel fallen sehen.

Wenige Wochen bevor ich Berellam verliess, trat dann genau das ein. Es regnete in einer Nacht 28 mm. Das trockene, sonnendurchgluehte Land hatte sich in eine schlammige Landschaft mit vielen Pfuetzen, kleineren Teichen und ueberschwemmten Graeben (die sonst immer ausgetrocknet sind)verwandelt.

Jeff sagte, dass er Luftspruenge machen koennte. Fuer ihn ging es dabei um viel Geld und nicht zuletzt auch seine Existenz hing vom Regen ab.

Es war eine Freude, den Kindern zuzuschauen, sie spielten draussen (wie immer) barfuss in der Motter, sprangen und legten sich in Pfuetzen und waren von Kopf bis Fuss rotbraun gefaerbt. Ihr lautes, herzhaftes Lachen und die Freude in ihren Augen dabei habe ich noch deutlich vor Augen.

Einige Strassen sind fuer die naechsten ein bis zwei Tage gesperrt worden(Road Closed), da grosse Wassermassen auf dem Asphalt (bis zu einem halben Meter tief) sie auch fuer Gelaendefahrzeuge nahezu unpassierbar machten.

Auf den meisten nichtasphaltierten Wegen war ein Allradfahrzeug auch bei Trockenheit noetig, aber jetzt waere man ohne eins hoffnungslos verloren.

In dieser Zeit war das Arbeiten auf dem Motorrad unsinnig, ich widmete mich auf Jeffs Rat hin dem Traktor und zerlegte das Getriebe.

Das Wasser ging so schnell, wie es gekommen ist, in den Teichen und Graeben war das meiste Wasser bereits einen Tag spaeter versickert, obwohl der Boden aber noch feucht und weich war.

Lust auf eine kleine Spritztour? lautete drei Tage nach dem Regen Jeffs Frage. Meine Antwort war natuerlich ein klares Ja.

Schnell den Oelstand und das Kuehlwasser der Motorraeder gecheckt, und los ging es bei schoenstem Sonnenschein.

Der Boden war tatsaechlich noch sehr feucht und weich. Das Fahren war eine ganz neue Erfahrung, wenn man eine zwei Meter hohe Fonteane aus Erdklumpen hinter sich gen Himmel schiesst. Laechelnd dachte ich ueber den in diesem Falle woertlichen Sinn des Wortes Spritztour nach.

Das Fahren war einfach herrlich, die steppenartige Landschaft, die an uns vorbeiflog, war von einem fast durchgaengigen gruenen Teppich aus kleinen Pflanzen ueberzogen, es duftete alles so sauber und frisch. Und was noch bemerkenswerter war: es staubte nicht.

Das war wieder einer der vielen Momente, in denen ich laut sang, schrie, lachte, oder alles auf einmal, damit ich es ueberhaupt noch aushalten konnte vor Glueck.

Die Motorraeder liessen nach diesem Trip keine Zweifel offen, wo und wie sie gefahren wurden – total verdreckt und fast vollstaendig in Motter gehuellt.

Aber irgendwie passte es zu diesen Maschinen, die ja nicht umsonst fuers Gelaende konzipiert waren.

Das wirkliche Ausmass der Verschmutzung fiel mir dann beim anschliessenden Abspritzen mit einem Hochdruckreiniger (Marke Kaercher) erst richtig auf.

Ich brauchte fast eine halbe Stunde dafuer, Resultat: ich war durchnaesst und die Motorraeder um einiges leichter.

Alles in allem kann ich sagen, dass ein Wort die Situation, wenn es hier regnet, wie den Nagel auf den Kopf trifft: Ausnahmezustand.

Samantha und Christine, die beiden aeltesten Toechter von Robyn und Jeff, brachten, als sie fuer die Schulferien nach langer Zeit mal wieder nach Hause kamen, noch ihre Freundin mit.

Ausserdem kamen auch fuer die Zeit der Ferien Mark seine Frau mit ihren beiden Soehnen.

Es war eine sehr laute und lebhafte Zeit, nicht nur fuer die Kinder. Fuer sie waren es aber phantastische Wochen voller Abenteuer. So schliefen sie mal eine Nacht draussen im Zelt, fuhren viel Motorrad (z.T. auf speziellen Kindermotorraedern) und Auto (bzw. einige lernten es) und konnten sich beim Spielen auf den interessantesten Plaetzen, die so eine Farm zu bieten hat, so richtig austoben.

Als ich gerade dabei war, bei einem kleinen Verbrennungsmotor einer tragbaren Pumpe die Ventile auszubauen (so etwas habe ich waehrend meiner ganzen Ausbildungszeit im Autohaus Grams nicht einmal gemacht), kam Mark zu mir geschlendert und erzaehlte mir was.

Als seine Frau waehrend der langen Fahrt (Naehe von Rockhampton – Berellam) anhielt, damit alle ihr Geschaeft erledigen konnten, beschwerte sich der aeltere (11) der beiden Soehne, dass es keinen Baum oder dergleichen zum Verstecken gab. Sie entgegnete scherzhaft, dass er so klein ist, dass ihn niemand sehen wird. Darauf er: Its the biggest in my class!

Mark seine Frau mochte ich von Anfang an. Sie war sehr nett und herzlich, wir haben uns oft interessant unterhalten. Und sie war ausserdem erstaunlich schoen.

An einem Samstagabend war ich gerade dabei, meine emails im Buero des Haupthauses durchzulesen. Es war schon dunkel, so gegen 20 Uhr. Ich habe mich beeilt, weil ich noch nach Eromanga fahren wollte (eigentlich wollte ich schon dort sein...). Jeff, Robyn und die fuenf Kinder waren schon seit dem Nachmittag dort. Es fand ein Quiz statt, danach natuerlich eine Party.

Ausser mir war also niemand da, ausser i n meinem Haus, dort sah Mark seine Frau fern oder las, waehrend der juengste Sohn schon im Bett war. Den aelteren Sohn hat Mark ausnahmsweise fuer diese Nacht mitgenommen, als er wieder seiner Arbeit nachging: Kaengeruhs schiessen.

Als ich mich also gerade ausloggen wollte, kam sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck herein und sagte, dass es ein kleines Problem gaebe und fragte mich, ob ich helfen koenne. Natuerlich bejahte ich und bat sie, mir alles zu erzaehlen.

Mark habe einen Getriebe- oder Kupplungsschaden und steckt im Wald fest, irgendwo ca. 50 km vom Haus entfernt. Er hat per Funk eine Frau auf der Nachbarfarm erreicht, und diese habe gerade angerufen.

Fuenf Minuten spaeter hatte ich den Pick-up vollgetankt, genuegend Ketten auf der Ladeflaeche verstaut, und fuhr in die Nacht hinaus. Ich fuhr den elf Kilometer langen Weg bis zum Briefkasten, bog nach rechts auf die von nun an asphaltierte Strasse ab. Kurz hintereinander erwischte ich zwei Kaengeruhs, das zweite der beiden war sehr gross. Aber der Bullenfaenger dieses Gelaendewagens war dafuer konstruiert, solche Zusammenstoesse wegzustecken. Wenn Jeff damit faehrt und ihm Kaengeruhs vor dem Auto herlaufen, dann gibt er manchmal extra Gas, um eins zu erwischen.

Ich fuhr den beschriebenen Weg, erwischte noch ein Kaengeruh und befand mich nach einer Weile wieder auf einem Sandweg.

Hier sollte er nach ca. 10 km irgendwo im mondlichtdurchfluteten Wald stecken. Ich versuchte staendig, ihn auf seiner Frequenz ueber Funk zu erreichen.

Ploetzliche hoerte ich wenige Gespraechsfetzen als Antwort. Wenig spaeter wurde es etwas besser. Ich verstand, dass er in einer Vertiefung steckt und der Funkverkehr deshalb so beeintraechtigt sei.

Er sagte mir, bis zu welchem Huegel ich noch auf dem Weg weiterfahren sollte. Hier angekommen schaltete ich mein Licht aus. Und ganz in der Ferne sah ich dann seinen grossen Suchscheinwerfer (den er eigentlich fuer die Kaengeruhs braucht). Ich merkte mir die grobe Richtung, bog von der Strasse ab und fuhr ueber Steine, durch Baeume, ueber lichtere Stellen querfeldein. Teilweise gings nicht weiter, ich fuhr zurueck und bahnte mir einen anderen Weg durch den naechtlichen Wald. Ab und zu hielt ich an, schaltete meine Scheinwerfer aus, bat ihn erneut zu leuchten und korrigierte meine Richtung. Als ich schliesslich ankam und wir seinen Wagen mit einem Stahlseil an meiner Anhaengerkupplung festmachten, war die Erleichterung auf beiden Seiten zu spueren.

Da man beim schnellen Fahren auf diesen Pisten eine kilometerlange Staubwolke hinter sich herzieht, bin ich besonders langsam gefahren. Aber trotzdem haette ich nicht gern mit Mark tauschen wollen, denn mein Auto wirbelte teilweise so viel Staub auf, dass er kaum noch etwas sehen konnte.

Da er seinen Motor im Leerlauf mitlaufen liess, musste er danach auch den Luftfilter saeubern.

Am naechsten Tag war das Getriebe ausgebaut – und es war nicht die Kupplung. Mark konnte und musste sich also mit dem Gedanken anfreunden, dass er ein neues braucht.

Mark sein Pick-up ist uebrigens speziell fuer den besonderen Einsatz als Fahrzeug zum Kaengeruhschiessen ausgeruestet.

An der Seite befindet sich eine Kette, die von einem kleinen Elektromotor angetrieben ueber eine drehbar gelagerte Felge laeuft und zum Enthaeuten der Tiere vor Ort dient.

Auf dem Dach – von innen bedienbar – prankt ein Suchscheinwerfer. Seitlich an den Aussenspiegeln sind Ablagen fuer das Gewehr zum ruhigen Zielen angebracht. Und da das Auto selten auf Wegen - geschweige denn auf Strassen - faehrt, hat es Spezialreifen, die extra konsistent sind, z.B. gegen spitze kleine Baumstuempfe etc.

Damit man nicht die Orientierung verliert, ist es ausserdem mit GPS ausgestattet. GPS bedeutet Global Positioning System und wie ich von meinem Vater, der als Vermessungsingenieur oft damit arbeitet, weiss, kann man damit ueber Sateliten seinen Standort relativ genau bestimmen.

Als mich Jeff eines Abends darum bat, schnell noch ein Kaengeruh fuer die Hunde zu holen, setzte bereits die Daemmerung ein. Ich fuhr also schnell los, sah auch nach wenigen hundert Metern eins sitzen, setzte den Gehoerschutz auf und legte an. Durch das sehr gute Zielfernrohr blickte mich das Tier misstrauisch an. Es war relativ weit entfernt, ich zielte genau auf den Kopf, es bewegte sich ein wenig, ich zielte erneut, den Finger immer am Abzug haltend.

Und just in dem Moment, als ich abfeuerte, bewegte es sich erneut. Es fiel - Treffer. Da es sich aber nach kurzer Zeit wieder etwas aufrappelte, wusste ich, dass ich es nur angeschossen hatte. Es begann sogar wegzuhuepfen.

Energisch aber mit kuehlem Kopf nahm ich die Verfolgung auf. Fast haette ich es verloren, doch dann sah ich es wieder hinter einem Strauch huepfen. Ich beschleunigte etwas, und dann gab es fuer eine Sekunde ein zischendes Geraeusch, wobei sich der Wagen vorn etwas absenkte. Ich wusste, was geschehen war. Jeff hatte mich oft vor diesen kleinen, abgestorbenen, spitzen Baumstuempfen gewarnt, aber in der einsetzenden Dunkelheit hatte ich einen uebersehen.

Da der vordere rechte Reifen platt war, konnte ich es schon sehen, als ich mich aus dem Fenster lehnte. Dafuer wirst Du mir buessen dachte ich, als ich aus dem Wagen sprang und einige Schritte dem Kaengeruh hinterherrann. Zum Glueck blieb es stehen, sonst haette ich es nach sehr kurzer Zeit verloren.

Sofort ging ich in die Knie: mein rechtes setzte ich auf die Erde und auf meinem linken stuetzte ich den Ellenbogen, damit ich sicherer zielen kann und es dieses Mal sofort erledige. Der Schuss sass, es sackte zusammen. Am Schwanz zog ich es zum Toyota, lud es auf die Ladeflaeche und machte mich schleunigst daran, das Rad zu wechseln.

Vorher gab ich aber noch kurz ueber Funk Bescheid, dass ich etwas laenger brauchen wuerde und auch warum.

Wieder angekommen – es war jetzt vollstaendig dunkel – lud ich das Tier ab, Jeff haeutete es so weit, dass er die Beine ohne Fell abschneiden konnte. An den gewaltigen Sprungbeinen ist am meisten Muskelfleisch dran, im Gegensatz zum Rest des Tieres. Und diesen Rest brachte ich dann weg, nachdem Jeff eins der Beine gerecht auf seine fuenf Hunde und zwei Katzen aufgeteilt hatte. Das andere brachte er ins Kuehlhaus fuer den naechsten Abend, als die Hunde sich wie wilde Bestien voller Heisshunger ueber ihre Mahlzeit hermachten.

Der Schlauch war leider so sehr eingeschlitzt, dass er nicht mehr zu flicken war. Das Gleiche galt leider auch fuer den Reifen. Also zog ich am naechsten Tag einen neuen Schlauch und einen neuen Reifen auf die Felge.

Es war Samstag, Jeff ist mit seiner Familie frueh morgens zu einer Familienfeier aufgebrochen und ich schlief erstmal so richtig aus. Ich wollte so gegen 10 fruehstuecken und dann nach Quilpie fahren, wo ich um drei mit Sally verabredet war.

Am Vorabend fragte ich, ob Jeff noch Aufgaben fuer mich hatte. Er ueberlegte und sagte nein, aber falls ihm was einfalle, schreibe er es auf einen Zettel. Ich ging nicht davon aus, dass er mir etwas auftragen wuerde. Als ich in die Kueche reinkam, fiel mir der grosse Zettel auf der Mitte des Esstisches sofort ins Auge.

Er entschuldigte sich zunaechst dafuer, dass es ihm nicht frueher eingefallen ist, aber er habe eine ganz wichtige Aufgabe fuer mich.

Die Bissen, die ich vor wenigen Tagen fertiggemacht hatte (dieses Mal waren es noch mehr Kaengeruhbeine als beim ersten Mal, ueber 100, ich verbrachte einige Stunden im Kuehlhaus beim Zurechtschneiden...), sollten am Sonntag mit dem Flugzeug ueber der Farm verteilt werden.

Meine dringende Aufgabe bestand nun darin, mich mit Spitzhacke, Spaten und Schaufel zu bewaffnen, zur Start- und Landebahn zu fahren und die dortigen Termitenhuegel zu suchen und einzuebnen.

Wer schonmal gegen einen Termitenhuegel getreten hat, weiss, wie steinhart sie sind. Manchmal werden sie aus diesem Grunde abgetragen, zerkleinert und fuer Tennisplaetze verwendet.

Jedenfalls ist das Flugfeld ziemlich genau 1000 Meter lang und 300 Meter breit. Nach ungefaehr 20 Minuten schweisstreibender Arbeit in der prallen Sonne hatte ich drei Blasen an meiner linken Hand. Mit meiner rechten Hand hatte ich als Rechtshaender keine Sorgen – ich war ja nun schon eine Weile hier und koerperliche Arbeit gewohnt.

Nach weiteren zwanzig Minuten fingen die Blasen meiner linken Hand an aufzuplatzen. Zehn weitere Minuten mit der Spitzhacke sorgten dafuer, dass die Blasen anfingen zu bluten. Irgendwann liess der Schmerz nach, wurde zu einem dumpfen Pochen in der Hand und ich arbeitete weiter, immer auf die Uhr schauend – ich mag keine Unpuenktlichkeit und wollte es daher nicht selbst sein.

Als ich nach ueber zweieinhalb Stunden Arbeit im Akkordtempo fertig war (im wahrsten Sinne des Wortes), erfrischte mich zwar eine kuehle Dusche, aber dafuer fing meine Hand jetzt erst richtig an zu schmerzen.

Zum Glueck ist Sally Krankenschwester und hat sich spaeter darum gekuemmert.

Dienstag, 26/06/01

Am Dienstag meiner letzten Arbeitswoche auf Berellam sind Jeff und ich auf das Anwesen seiner Schwiegermutter gefahren, es heisst Trinidad und ist ca. 250 km entfernt. Er fuhr den alten weissen LKW und ich den Pick-up.

Die Highlights hier waren die Gastfreundschaft seiner Schwaegerin Wendy (so offenherzig, das Gegenstueck ihrer Schwester Robyn), die hier zur Zeit mit ihrem Mann Peter (ebenfalls Kaengeruhschiesser) wohnt, eine vor 12 Jahren abgestuerzte Passagiermaschine, die noch sehr gut erhalten war (der Pilot kam dabei ums Leben, die 8 Insassen ueberlebten), der mehrfach preisgekroente Garten der Mutter, das absolute leckere Essen (z.B. ein einmaliger Bananenkuchen – hmmm!) und auch die Arbeit, wir reparierten eine Windmuehle und demontierten das Getriebe einer anderen, um es spaeter mitzunehmen.

Eine bemerkenswerte Eigenschaft der Menschen hier ist ihre Gelassenheit, Stress ist fuer sie ein Fremdwort. Und es funktioniert.

Und so kam es dann auch, dass wir statt der geplanten einen Nacht ganze drei Naechte auf Trinidad verbracht haben. Wenn wir uns beeilt haetten und gelegentlich auf eine der fuenf Mahlzeiten pro Tag verzichtet haetten, dann waeren wir sicherlich schon am zweiten Tag fertig gewesen. Aber wozu?

Da ich darauf nicht vorbereitet war (ich habe Jeff extra noch gefragt, ob es nicht doch eventuell mehr als eine Nacht werden koennte, was er verneinte), habe ich mir ein frisches T-Shirt von Peter ausgeliehen.

Aber ansonsten begruesste ich diese Entscheidung, denn es war superschoen hier.

Als Jeff mit mir im relativ neuen Suzuki Vitara von Wendy (unter 20.000 km auf dem Tacho) unterwegs war, erwischte er ein Emu – der vordere rechte Kotfluegel und der Kuehlergrill mussten etwas dran glauben, aber ansonsten war das kein grosses Problem.

Nur wenige Stunden zuvor hatten wir mit diesem Auto einen Platten, allerdings war Wendy die Fahrerin.

Als Jeff sich beim Schweissen die Hand verbrannte, ging seine Schwiegermutter abends in ihren Garten, kam mit einem grossen kaktussaehnlichen Blatt wieder, schnitt es auf und gab etwas von der gelartigen Substanz in der Mitte des Blattes auf die Wundblasen. Es war Aloe Vera, und am naechsten Morgen war die Hand erstaunlich weit verheilt.


Donnerstag, 28/06/01

Am Donnerstag regnete es leicht. Zuerst sieht man die fast vollstaendig verdunsteten Regentroepfchen auf glatten Flaechen, wie z.B. der Windschutzscheibe und kann sie noch nicht auf der Haut spueren. Erst allmaehlig werden sie groesser und spuerbar. Jeff rief abends gleich Robyn an und fragte, ob es auf Berellam auch regne, aber erwartungsgemaess tat es das nicht.


Freitag, 29/06/01

Weil die Wege Freitag Mittag noch sehr schlammig waren, mussten Jeff und ich den LKW mitsamt der Ladung auf Trinidad stehen lassen und fuhren beide zusammen mit dem llradfahrzeug nach Hause.

Da ich am kommenden Mittwoch abreisen wuerde, kam ich so langsam in Abschiedsstimmung.


Montag, 02/07/01

Am vorletzten Abend habe ich auf Jeff seine Idee hin den Suchscheinwerfer auf das Dach des Pick-ups montiert. Auf der Ladeflaeche hatten es sich die fuenf Maedels (eingehuellt in Saecke fuer Schafwolle) bequem gemacht fuer den geplanten naechtlichen Ausflug.

Jeff fuhr und bediente gleichzeitig den Suchscheinwerfer. Wir waren insgesamt nur zwei Stunden unterwegs, aber ich habe innerhalb dieser Zeit mindestens 30 Kaengeruhs erlegt.

Kurz vor Schluss geschah etwas Aussergewoehnliches. In weiter Ferne sahen wir zwei leuchtende gruene Augen. Jeff wurde auf einmal ganz anders, sein Gesicht erstarrte zu einer ernsten Miene, den Blick auf dieses Augenpaar gerichtet steuerte er den Toyota in diese Richtung und sagte ganz langsam, leise aber unmissverstaendlich: Give me the riffle!

Die Augen waren einen Moment spaeter verschwunden, was immer es gewesen ist, es hat uns den Ruecken zugekehrt.

Waehrend er beschleunigte, fragte er Mark ueber Funk, in welcher Farbe die Augen eines Dingos das Licht reflektieren. Mark sagte gruen, aber wenn man nur einen Lichtpunkt sieht und die Augen also eng zusammen stehen, dann sei es wohl eine Wildkatze (wovon es hier auch jede Menge gibt). Kaengeruhaugen reflektieren das Licht nur sehr schwach und erscheinen rot.

Die Augen, die wir sahen, standen nicht eng zusammen, es waren zwei deutliche, gruene Punkte.

Fast den Atem anhaltend fuhren wir sachte Richtung Wald weiter. Die Augen blitzten uns einen Augenblick spaeter noch einmal an, aber dann hatten wir ihn endgueltig verloren.

In den letzten Wochen machte ich mir natuerlich Gedanken darueber, was ich denn so mit meinen Eltern (Ursula und Werner) und meinem Bruder (Christian) in den drei Wochen anstellen werde, die sie hier verbringen wollten.

Obwohl mein Bruder einige (zu viele) Wuensche aeusserte, was er alles sehen wollte, liessen sie mir sehr viel Bewegungsfreiheit und sagten, dass sie mir da vertrauen und einfach das machen wuerden, was ich festlegte. Wichtig sei, dass sie den Uluru (Ayers Rock) sehen und etwas vom Great Barrier Reef.

Somit hatte ich das Los, einen guten Plan fuer einen hoffentlich einmalig schoenen und unvergesslichen Urlaub aufzustellen.

Ich besorgte mir viel Informationsmaterial (was man hier ueberall zuhauf bekommt) und stellte folgenden Plan auf:

Am Mittwoch frueh wollte ich Berellam verlassen, von hier aus nach Brisbane starten (1200 km), auf dreiviertel des Weges in Towomba uebernachten, Donnerstag die drei abholen, dann nach Tweed Heads fahren (erste Stadt in New South Wales, direkt an der Gold Coast) um die Registrierung meines Autos auf meinen Namen abzuschliessen (es ist naemlich in NSW registriert gewesen), danach fuer drei Tage zurueck auf die Farm (hier sollten sich die drei dann erstmal vom Jetlag erholen und entspannen), von hier aus ueber Charleville (Flugshow) in Richtung Alice Springs, Uluru, dann nach Townsville und entlang der Sunshine Coast wieder zurueck nach Brisbane.

Die Einzelheiten wollte ich dann auf der Farm in Ruhe mit den anderen besprechen und abstimmen.


Mittwoch, 04/07/01


In der Nacht vor meiner Abreise konnte ich nicht schlafen, ich musste staendig an eine sehr unerfreuliche persoenliche email denken, die ich zuvor gelesen habe. Und so stand ich auch schon eine halbe Stunde frueher auf, als ich wollte, naemlich um Viertel vor Fuenf. Nachdem ich die letzten Sachen verstaut hatte nahm ich mir ueber eine halbe Stunde Zeit fuer ein ausgedehntes, reichhaltiges Fruehstueck – meiner wichtigsten Mahlzeit am Tag. Dann noch schnell ein Sandwich gemacht, und um Punkt 6.28 Uhr rollte ich nach einem kurzen Abschied (war ja nur fuer drei bis vier Tage) mit meinem Kombi vom Hof, einige Minuten, bevor die Sonne aufging.

Ich war voller Energie und Tatendrang, als ich der aufgehenden Sonne genau entgegenfuhr. Und das aenderte sich den ganzen Tag nicht. Deshalb habe ich dann auch keinen grossen Zwischenstop mit Uebernachtung eingelegt, sondern bin die 1200 km nach Brisbane durchgefahren, wo ich so gegen 22 Uhr ankam.

Zwischendurch rief ich Sonja von einer Telefonzelle aus an und verabredete mich mit ihr fuer den naechsten Tag.

Als ich in Brisbane einlief, schaltete ich mein Handy an. Es war so ungewoehnlich, nach zwei Monaten erstmals wieder Empfang zu haben. Ich schrieb gleich einige Nachrichten an meine engsten Freunde und an meinen Bruder.

Mein Abendbrot kaufte ich bei Red Rooster, einer Fastfoodkette, die sich so aehnlich wie KFC auf Huehnchen spezialisiert hat.

Da ich schon so viel vom legendaeren Backpackers-Palace gehoert hatte (hier trifft sich die Society der Backpackers aus aller Herren Laender und hier gehen dann abends am Pool oder an der Bar die geilsten Parties ab), wollte ich erstmal dorthin. Ich wusste leider nur, dass es in der Naehe des Transit Center sein sollte.

Ich fragte mich dann durch und landete bei einem Backpackers, es hies aber City-Backpackers. Ich schaute kurz in die Bar – super Stimmung, beste Musik, viele Leute – und entschied, dass ich hier bleibe.

Leider erfuhr ich kurze Zeit spaeter, dass sie aufgrund der Schulferien und irgendwelcher Seniorenweltmeisterschaften voellig ausgebucht waren.

Da ich Sonja schon abgesagt hatte, als sie mich fragte, ob ich bei ihr schlafen moechte, wollte ich das jetzt nicht wieder rueckgaengig machen. Also entschloss ich mich kurzerhand, mir einige Bierchen zu goennen und dann im Auto zu schlafen.

Die Karaokeparty in der Bar war der absolute Hammer. Es herrschte eine losgeloeste, freudige Party-Atmosphaere, von der ich mich schnell anstecken liess.

Ich habe einige Leute gesprochen, darunter eine Hollaenderin und auch einen Deutschen.

Die Leute rissen sich foermlich um das Mikrofon, um das naechste Lied zu singen.

Als die Karaoke-Animateurin verlaeutete, dass der naechste Mann in freiem Oberkoerper singen solle, hat es auch nicht lange gedauert, bis ein absolut durchtrainierter junger Bursche mit Buerstenschnitt auf die kleine Tanzflaeche schritt und das naechste Lied sang, besonders zu Freude der weiblichen Gaeste des Abends. Es war Hey Jude von den Beatles. Als er ungefaehr bei der Haelfte des Liese ankam, stuermten seine drei Kumpels zu ihm, knoepften seine Bluejeans auf, oeffneten den Guertel – und zogen ihm seine Hose mitsamt der Unterhose runter. Die ganze Bar tobte, er sang bis zum Ende weiter.

Als das Lied schon lange zu Ende war, sangen wir immer noch alle den Refrain...

Irgendwann bin ich in mein in der Naehe des Hintereingangs parkendes Auto gekrabbelt, habe mich in meinen Schlafsack gelegt und bin sobald ich den Reissverschluss zuhatte auch schon eingeschlafen.


Donnerstag, 05/07/01

Morgens um sechs wurde ich wach, durch die Gewohnheit, jeden Tag so frueh aufzustehen, konnte ich auch nicht mehr einschlafen.

Ich schlich mich durch den Hintereingang zu den Sanitaeranlagen und hatte beim Duschen einen Ohrwurm im Kopf. Es war Hey Jude.

Noch wenige Stunden bis zum Eintreffen der Maschine aus Singapur. Ich war schon sehr gespannt darauf, was mir die drei alles zu erzaehlen hatten. Und ich freute mich total darauf, ihnen zu berichten und vieles zu zeigen. Ich freute mich darauf, sie wiederzusehen. Ich blickte voller Optimismus und Zuversicht einem schoenen Urlaub entgegen, auf den ich mich natuerlich auch sehr freute. Denn bisher hatte ich ja auch noch nicht so viel von Australien gesehen.

Aber zuvor hatte ich ja noch den ganzen Nachmittag Zeit, um mich mit Sonja zu treffen und mir Brisbane anzuschauen.

Wie es dann weiterging schreibe ich beim naechsten Mal.

Bis dahin seid alle ganz ganz lieb gegruesst von mir!

Euer Matt


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