Subject: Gruesse von down under!
From: Matthias Buck [Matthias.Buck@gmx.de]
Sent: Sonntag, 27. Mai 2001 07:39
Hi Leute!
Hoffe, dass es Euch allen gutgeht?!? Sorry - haenge teilweise ein wenig hinterher mit dem Beantworten Eurer emails. Bitte habt Verstaendnis dafuer, dass ich manchmal in akuter Zeitnot bin ;-) und schreibt mir weiterhin so fleissig - freue mich immer sehr ueber mails aus Deutschland und auch ueber Euer Feedback bzgl. meiner mails, welches sich ja erstaunlicherweise sehr begeistert anhoert.
Falls jemand von Euch aus meinem Verteiler gestrichen werden moechte - bitte mail an mich.
Habe mich so langsam eingelebt hier, komme ab und zu auch mal zur Ruhe, kann meinen Gedanken nachhaengen und die schoenen Dinge noch besser (weil bewusster) geniessen.
20.05.2001
Einen Sonntagsausflug der (fuer mich) etwas ungewoehnlichen Art haben wir an diesem Sonntag unternommen. Nachdem einige der Schafscherer mit stolzer Begeisterung von einem erlegten Wildschwein sprachen, haben wir uns mit zwei Jeeps aufgemacht, um zu schauen, ob es wirklich so gross sei. Mit dabei waren sechs Leute aus dem Team der Schafscherer (vier Maenner, zwei Frauen) sowie Jeff, Carolin, Kelsy (zwei der vier Toechter) und ich. Auf einigen Beweisfotos wurde dann nach zehnminuetiger Fahrt querfeldein das in der Tat sehr grosse Wildschwein festgehalten. Der Schuetze - er hat es waehrend der Verfolgungsjagd vom Jeep aus erlegt - wollte gern die beiden eindrucksvollen Eckzaehne haben, da hat Jeff dann seine Axt genommen und den enormen Kopf des Viehs abgehackt, um ihn dann auf die Ladeflaeche des Jeeps zu schmeissen.
Vom Jagdfieber angesteckt sind wir dann eine ganze Weile ueber Felder, durch Waelder und durch die Praerie der Farm gefahren, haben einige Wasserstellen aufgesucht und Jagd auf alles, was sich bewegt gemacht. Bilanz: noch zwei kleine Wildschweine (eins davon hat einer der Hunde geschnappt) und zwei Kaengeruhs.
Eigentlich duerfen nur bestimmte Jaeger mit einer gueltigen Lizens Jagd auf Kaengeruhs machen und muessen dabei bestimmte Auflagen erfuellen. So duerfen sie das Tier nur mit einem Kopfschuss toeten, ausserdem muessen sie nach dem Erlegen das Geschlecht feststellen und bei weiblichen Kaengeruhs nachschauen, ob ein Baby im Beutel ist und wenn ja, es dann auch toeten.
So geschah es denn auch nach dem Erlegen der beiden Kaengeruhs. Jeff hatseine Kinder gefragt, ob sie nach einem eventuellen Baby im Beutel gucken wollen - die sind dann ganz begeistert losgerannt und haben das Junge herausgeholt: ein winzigkleines, rosafarbenes Baby mit geschlossenen Augen zappelte hoffnungslos in ihren Haenden, es war kleiner als eine Zigarettenschachtel. Sie benutzten einen Stein, um dieses junge, zarte Leben auszuloeschen.
Wir haben noch einige Fallen (fuer krebsaehnliche Tiere) an Wasserstellen kontrolliert und den Fang dann mitgenommen.
Das allabendliche Lagerfeuer bot eine gute Gelegenheit, sich nocheinmal der "heldenhaften" Taten zu ruehmen und ueber alte Zeiten zu sprechen. Ich habe mich nett mit Toni ueber Autos - speziell deutsche Autos - und Gott und die Welt unterhalten.
21.05.2001
Habe heute mein erstes Kaengeruh geschossen - sauberer Kopfschuss.
Wollte heute ganz in Gedanken versunken seit langem mal wieder auf der linken Seite in den Jeep einsteigen und losfahren, merkte dann aber relativ schnell, dass dort kein Lenkrad war und rutschte nach rechts rueber
Ausserdem habe ich mir heute das erste Loch im Kniebereich meiner 501 - Arbeitsjeans eingefangen. Werde wohl oder uebel einen Flicken druebernaehen muessen, aber erst, nachdem ich sie ausgewaschen habe. Ich habe naemlich letzten Sonntag zum ersten Mal in meinem Leben meine Waesche selbst in die Waschmaschine gesteckt und auch allein aufgehaengt - leichter, als ich dachte, ist eigentlich ueberhaupt kein Problem.
22.05.2001
Am letzten Abend der Schafscherer hier auf der Berrelamfarm haben wir ein grosses Barbeque (?) veranstaltet - ein Genuss fuer die Augen, fuer den Geruchs- und den Geschmackssinn. Neben saftigen Steacks gab es leckere Salate, Wuerste und natuerlich reichlich Bier Es war eine gemuetliche Runde, es wurden Fotos rumgereicht, erzaehlt, gelacht oder einfach nur ins Lagerfeuer gestarrt und getraeumt
23.05.2001
Ein alter englischer Traktor mit einem Getriebeschaden wurde ab dem heutigen Tag zu einer meiner Hauptaufgaben auf der Farm. Ich zerlege ihn zunaechst in seine Einzelteile - ein Job, der deshalb Spass macht, weil ich ihn unter einer Art Riesencarport machen kann, die Sonne scheint zur lauten Musik, die ich mir anmache, und ich arbeite selbstaendig. Haette gar nicht gedacht, dass von meiner Kfz-lehre noch so viel haengen geblieben ist
Im der naechstgelegenen Stadt Quilpi (ca. 120 km) fand am Abend ein Rodeo statt. Wobei ich sagen muss, dass das Rodeo eigentlich nur ein Anlass fuer ein kleines Volksfest war, bei dem der Alkohol nicht an letzter Stelle stand
Kleine Kinder auf Schafen machten den Anfang, es ging weiter mit Reiten auf Zeit, dann folgten die Rodeos auf Kuehen und Stieren (aus Sicherheitsgruenden keine Bullen) und abschliessend auf wilden Pferden - es war ein Gaudi, der sich teilweise zwar etwas in die Laenge zog, insgesamt aber auch sehr unterhaltend, spannend und lustig war.
Ich wagte (zum Glueck bevor ich einige Bierchen zischte) noch mit den beiden Toechtern eine Fahrt im Karussell (neben einem Autoscooter das einzige).
25.05.2001
In das bisher groesste (und wohl auch einzige) Fettnaepchen bin ich heute getreten. Nach einem langen Vormittag auf meinem Motorrad bin ich hungrig in die Kueche und wollte mir etwas zu essen machen. Eigntlich funktioniert es hier so, dass Robyn oder die Kinder das Essen machen (hier wird sehr viel gekocht, gebacken, usw. - der Geschirrspueler laeuft zweimal pro Tag) und sich dann jeder, der spaeter essen moechte, etwas in der Mikrowelle heiss machen kann. So wollte ich es auch heute handhaben, und so freute ich mich schon auf den leckeren Auflauf, der fertig in der Form zum Verzehr bereitstand. Zugegeben, ich habe mich schon etwas darueber gewundert, dass er dort so unangetastet stand - was haben wohl die anderen gegessen, fragte ich mich nur kurz und langte ordentlich zu. Jedenfalls war der Auflauf als Spende fuer einen Essensbasar beim Pferderennen am naechsten Tag gedacht. Robyn musste einen neuen machen und war davon natuerlich nicht wirklich begeistert. Ab jetzt frage ich, wenn etwas noch nicht angefangen ist, ob ich es essen darf.
Das hat dem Verhaeltnis zwischen Robyn und mir nicht gerade gutgetan, aber es ist auch schwer, mit iht gut auszukommen. Sie ist nicht sehr herzlich, zu keinem. Ich hoere sie oft schreien, sie schreit ihre Kinder an, ihren Mann. Irgendwie hat sie ein Prolem. Vielleicht ist sie nicht gluecklich hier? An meinem ersten Tag habe ich ihr dann auch gleich ohne Umschweife gesagt, dass ich noch nie eine Frau getroffen habe, die solch eine laute Stimme hat. Ich meinte damit ja nicht das Schreien (hatte es bis dato auch noch nicht gehoert), sondern auch beim Erzaehlen uebertoent sie sehr haeufig alle. Sie meinte daraufhin, dass sie als juengste unter 4 Geschwistern aufgewachsen sei und sich halt so Gehoer verschaffen und durchsetzen musste.
26.05.2001
Kurz nach 7 am kam ein Roadtrain auf die Farm, um die gesamte Wolle der 6.500 Schafe abzuholen. Sie wurde vorher vom Team der Schafscherer mit einer hydraulischen Wollpresse in grosse Saecke gepresst. Nachdem wir den Vormittag damit verbrachten, diesen Extrem-Truck zu beladen, habe ich mich noch kurz mit dem Fahrer unterhalten und bin ne Runde mitgefahren.
Sein Roadtrain hat einen Sechszylindermotor mit satten 525 PS und unglaublichen 14 Litern Hubraum - da kann man sich ja schnell vorstellen, wie gross jeder einzelne Zylinder sein muss und wieviel Drehmoment dieser Motor hat. Der Tank fasst sagenhafte 1.700 Liter Treibstoff - die sind auch notwendig bei den extremen Entfernungen und einem maximalen Verbrauch (voll beladen, bergauf usw.) von einem Liter pro km. Dieser LKW hatte nur einen Anhaenger (Trailer), andere haben bis zu drei davon. Der Anhaenger hatte 20 Raeder auf 5 Achsen, der eigentliche Sattelzug hatte 24 Raeder auf 6 Achsen. Bemerkenswert ist, dass ein einzelner Reifen des Anhaengers ueber 500 A$ kostet, die gelenkten Reifen kosten sogar ueber 1000 A$, da muss man nur mal 64 Reifen eines durchschnittlichen Roadtrains mit 500 A$ multiplizieren - ein teurer Reifenwechsel
Im naechsten Dorf (32 km) traf man sich heute nach dem Mittag bei (wie immer) schoenstem Sonnenschein zum Pferderennen, Motto einiger Teilnehmer: sehen und gesehen werden. Der Alkohol floss wieder in den ueblichen Mengen. Und wie auch schon beim Rodeo liefen hier viele Kinder herum, auch ganz kleine. Jeder kennt hier wirklich jeden, die Autos werden auch nie abgeschlossen.
Ich habe die Bekanntschaft von Dick gemacht, einem Hollaender, der auch auf einer Farm arbeitet und genau eine Woche nach mir den Kurs bei Visitoz Scheme gemacht hat. Als er mir erzaehlte, wie hart er schuften muesse, wie eintoenig seine Aufgaben sind (meist "Branding", d.h. die Tiere brandmarken, oder kastrieren, kein Motorradfahren oder reiten) und dass er keinen freien Tag in der Woche hat, war ich extrem froh, dass ich es so gut hier habe. Er bekommt zwar 350 A$ und somit 50 mehr als ich pro Woche, aber da moechte ich lieber nicht mit ihm tauschen.
Abends ging es dann in den Dorfsaal. Eine Saengerin mit Keyboard hat es verstanden, Alt und Jung zum Tanzen, Mitsingen und Abfeieren anzuregen. Ich habe so viele nette Leute kennengelernt und auch viele interessante Gespraeche gefuehrt. Z.B. sprach mich eine junge Frau an, die mir schon vorher aufgefallen war (weil sie nicht nur alles andere als haesslich war, sondern auch irgendwieanders als die anderen war - sie fiel halt auf). Ihr Name ist Sally, wir haben uns gut unterhalten, sehr gut sogar. Sie ist aus Brisbane und neu hier, 24 Jahre, arbeitet als Krankenschwester im Kranknhaus in Quilpi und hat ein bezauberndes Laecheln. Wir haben dann draussen in aller Ruhe unsere Telefonnummern, Emailadressen usw. ausgetauscht. Sie hat mich eingeladen, wenn ich das naechste Mal in Quilpi bin, mit ihr essen zu gehen, oder uns einfach irgendwo zu treffen und die Stadt unsicher machen. Zufaellig werde ich dann wohl auch am naechsten Freitag nach Quilpi fahren, ich weiss aber noch nicht, ob ich die Zeit finden werde, mich mit ihr zu
treffen.
27.05.2001
Meinen kleinen Rausch hatte ich heute so gegen 10 am ausgeschlafen, habe dann nach dem Fruehstueck meine Waesche gewaschen und mich an den Computer gesetzt, um das hier alles zu schreiben.
Ich muss sagen, dass ich froh bin, dass es mir hier so gutgeht. Ich freue mich jetzt schon auf die naechsten Tage, Wochen usw. Es faellt mir leicht, morgens so frueh aufzustehen, weil ich mich auf den Tag freue - ein schoenes Gefuehl, welches nicht alltaeglich ist.
Euer Matt
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